Stadtgarten Glaucha – Freiraum zurückgewinnen
Am Sonntag den 1. November 2020 trafen sich rund 12 Eltern und 5 Kinder mit viel Abstand auf dem neuen, großzügigen Gelände des Stadtgartens Glaucha, um den verwilderten Garten aufzuräumen. Ab dem nächsten Frühjahr soll dort endlich gemeinschaftlich gegärtnert werden. Es wurden Berge von Müll beseitigt und erste Bäume, Büsche und Kräuter gepflanzt. Viele fleißige Hände und beteiligte aus dem Glaucha-Viertel haben dabei geholfen das verwilderte Grundstück wieder nutztbar zu machen und freuen sich nun auf die nächste Gartensaison.
Die Initiative “Stadtgarten Glaucha” verlor wie viele Freiräume, vom Labim bis zur HaSi, sein ursprüngliches Gelände durch die fortschreitende Gentrifizierung in Halle. Der Gemeinschaftsgarten befand sich bis 2018 in der Torstraße 31 in Glaucha, musste zunächste für Immobilienspekulationen Platz machen. Heute ist das Gelände wieder eine Brache (Stand: 1.11.2020).
Es gab bereits einige Sachspenden für das neue Projekt. Diese kommen aus dem ehemaligen Gemeinschaftsgarten in Neustadt, “Neutopia” welcher ebenfalls durch eine vorgesehene Bebauung des Grundstückes gerade räumen muss. Halle wird leider noch immer um weitere Freiräume ärmer.
Der Stadtgarten Glaucha versuchte in den letzten 2 Jahren bei zähen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung und dem Künstlerhaus 188 ihr Wunschgrundstück, den ehemaligen Schulgarten im Böllberger Weg zu pachten. Dies führte leider aber nicht zu einer einvernehmlichen Lösung. Seit Anfang 2020 hat die Initiative Stadtgarten Glaucha endlich einen Kompromiss gefunden, ein verwildertes Gartengrundstück in der Wörmlitzerstraße Ecke Warneckstraße. Die WG Gesundbrunnen Halle verpachtet den GärtnerInnen mit Freude ein leerstehendes Gartengrundstück und unterstützt das nachhaltige und nachbarschaftliche Projekt mit einer fairen Pacht und einem geeigneten Zeitrahmen von mind. 10 Jahren Pachtzeit.
In den nächsten Jahren soll nach und nach das ganze Potential des Gartens ausgeschöpft werden. Diverser Gemüseanbau, Hochbeete, gemeinschaftliche Aussaat, Ernte und Verarbeitung wie auch Workshops zum Obstbaumschnitt, Imkerei, auch gartenthearapeutische wie auch naturpädagogische Angebote für Schulen und Kitas der Umgebung sind in Planung. Zu regelmäßigen Zeiten wird der Garten offen für alle sein. Alle die Interesse an Ruhe, gärtnerischem oder alltäglichem Austausch am Kaffeetisch suchen, gemeinsam lernen oder konkrete Ideen umsetzen wollen. Das Projekt freut sich über regen Zulauf im Frühjahr zur neuen Gartensaison oder schon jetzt über UnterstützerInnen und Sponsoren für den Aufbau.
Die Beweggründe der jungen GärtnerInnen sind divers und doch verbindend. Sie reichen von Unzufriedenheit mit den hiesigen Kleingartenkolonien und deren Strukturen, dem Wunsch nach mehr Gemeinschaft und gärtnerischen Austausch, bis hin zum Wunsch nach Raum für Experiment und sinnstiftender Freizeitbeschäftigung. Manche sehnen sich einfach nur “nach einem Ort in der Stadt an dem man mal nur Grün und Himmel sieht” aber die Verantwortung für den Garten und seine Arbeit solidarisch aufteilen kann.
An dem langen Kampf um einen Platz für das Projekt wurde wieder einmal deutlich, wie schwer es ist Anerkennung und Unterstützung für selbst organisierte, nachhaltige Freiraumprojekte wie Gemeinschaftsgärten zu erwirken, was wirklich schade ist, weil der Stadtgarten Glaucha ein wichtiges ökologisches aber auch soziales Projekt ist, ein Garten der bald zum Freiluft-Begegnungszentrum erblühen und mit diversen und sinnstiftenden Angeboten für Jung bis Alt sein wird. Wärend der Corona-Pandemie haben viele Menschen ihr Bedürfnis nach Projekten in der Natur entdeckt und auch die Klimakrise und FFF zwingen die Stadtverwaltung immer mehr Haltung zu beziehen.
Doch noch sind die halleschen Haushaltskassen vom Verkauf innerstädtischer Baulücken abhängig. “Das ist falsch”, finden die GärtnerInnen, “Stadteigene, ungenutzte Flächen sollten viel öfter erhalten und unter Einbezug der Bedürfnisse der Menschen im Viertel zur Verfügung gestellt werden. Anstatt von schnellen monetären Gewinnen bei Immobilienverkäufen entstehen so nachhaltige, soziale Projekte wie auch der Kinderbauernhof Kanena, der Bauspielplatz Freiimfelde oder eben ein Gemeinschaftsgarten mitten in der Stadt. Solange diese einfache Logik für die Stadtplanung zu schwierig ist, bleibt es wichtig über Freiraumthemen und das Recht auf Stadt öffentlich zu sprechen.”sagt Gerda Böhme vom Stadtgarten Glaucha und GartenWerkStadtHalle e.V.